Rüsselsheim. Am Sonntag, 27. April, ist World Graphic Design Day. Von sportlich-eleganter Fahrzeuggestaltung versteht Mark Adams etwas. Er verantwortet die preisgekrönte Opel-Formensprache aus skulpturalem Design und deutscher Ingenieurskunst. Im Interview erklärt der Opel-Designchef und Vice President Design GM Europe seine Philosophie und welche Hinweise der Monza Concept auf das zukünftige Markendesign gibt.
Mark, es heißt, gutes Design muss seiner Zeit voraus sein, damit es den Leuten auch noch in einigen Jahren gefällt. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Mark Adams: Ja, das stimmt. Und ich denke, unter unseren Autos finden sich gute Beispiele dafür, wie der aktuelle Opel Corsa. Als wir ihn auf den Markt brachten, hob er sich mit seinem frischen Auftritt gegen die Konkurrenz ab. Und diese Optik ist auch heute, nach mehreren Jahren, noch unverbraucht. Damit das gelingt, braucht es ein starkes Design-Statement, das über das hinausgeht, was die Kunden erwarten. Das hat auch schon beim Calibra oder dem Corsa B funktioniert. Und aktuell verkörpert das der Insignia: Er sieht heute noch so gut aus wie zu seinem Marktstart.
Was war Ihr erstes Projekt als Sie 2002 ins Unternehmen kamen?
Das Insignia Concept Car. Die Arbeit daran begann, als ich gerade zwei Monate hier war. Es sollte auf der IAA 2003 vorgestellt werden. Ich wollte mit ihm etwas schaffen, das skulpturaler, emotionaler ist, zugleich aber die technische Qualität transportiert, die in unserer Marke liegt. Mit dem Insignia Concept haben wir damals den Samen gesetzt für das, was unsere neue Designphilosophie wurde. Das Motto dazu – „skulpturales Design trifft deutsche Ingenieurskunst“ – fiel mir 2005 ein. Ich sprach mit meinem Team und sagte: ,Wisst ihr was? Das ist es, so nennen wir es!’
Damit hatte die Opel-Designsprache ihren Namen...
Nicht die Designsprache, sondern die Designphilosophie. Das ist ein Unterschied. Viele Wettbewerber hatten damals eigene Designsprachen. Aber die waren vergänglich. Wir hingegen wollten Konsistenz schaffen. Eine Designphilosophie, wie ich sie verstehe, ist etwas Langfristiges, Beständiges. Sie kann hundert Jahre aktuell sein. Das wollte ich meinem Team veranschaulichen. Also griff ich mir einzelne Modelle aus der Opel-Geschichte heraus. Ich fragte meine Leute: Skulpturales Design trifft deutsche Ingenieurskunst – hätte man den Opel GT der 60er Jahre so betiteln können? Die Antwort war: Ja, das hätte gepasst. Also haben wir das weiterverfolgt. Der Insignia wurde unser erstes Serienauto der Gegenwart, das diese Werte in sich trug. Aber man kann sich auch noch Autos im Jahr 2060 vorstellen, die dieser Philosophie entsprechen und doch in die Zeit passen.
Das Gute ist: Unsere Philosophie beschränkt uns nicht, sondern lässt uns viele kreative Freiheiten. Sie ist ein Rahmen, in dem wir arbeiten können, der aber nicht restriktiv ist. Unser Kundenspektrum ist sehr breit, deshalb brauchen wir unterschiedliche Autos mit jeweils eigenständiger Persönlichkeit. Dieser Rahmen versetzt uns in die Lage, solche Autos zu designen. Wir haben diese Philosophie in jedem neuen Fahrzeug seit dem Insignia fortgeführt. Heute steht unsere gesamte Modellpalette dafür: Ob Astra, Meriva oder Zafira Tourer, alle tragen das in sich. Auch die Autos, die das Portfolio erweitert haben – Ampera, Mokka, ADAM, Cascada. Der ADAM zum Beispiel ist klar erkennbar ein Opel, hat aber dabei eine völlig andere Persönlichkeit als der Insignia.
Und das wollen Sie auch in zukünftigen Fahrzeuggenerationen fortführen?
Genau. Jetzt folgt unsere nächste Stufe: Im Monza Concept erkennt man das Opel Design 2.0. In ihm kündigt sich an, was das Design unserer Serienfahrzeuge der nächsten acht bis zehn Jahre ausmachen wird. Er greift einige vertraute Merkmale auf und interpretiert sie frisch.
Wie wollen Sie es anstellen, den Charakter einer Studie mit Flügeltüren auf ein Serienfahrzeug mit fünf Sitzplätzen und geräumigem Kofferraum zu übertragen?
Der Monza ist zwar eine Vision, aber doch nicht zu weit von der Gegenwart entfernt. Das ist wichtig, damit das für alle greifbar bleibt. Deshalb denken wir in Zyklen von acht bis zehn Jahren. Im nächsten Zyklus werden wir beim Opel-Design 3.0 sein. Das wird wieder um neue Trends, neue Technologien erweitert sein – ohne dass unsere Philosophie dabei an Konsistenz verliert. Wenn man Insignia Concept und Monza Concept vergleicht, kann man diese Verbindung, diesen DNA-Link sehen.
Wofür steht der Monza Concept außerdem?
Er ist inspirierend und visionär, steht für herausragende Effizienz und Konnektivität. Ich bin sicher, LED-Projektionstechnologie und Mensch-Maschine-Schnittstellen werden in einigen Jahren perfekt sein. Wo der Fahrer heute über Touchscreens kommuniziert, wird bald die Spracherkennung dominieren. Das ist nebenbei ein erheblicher Beitrag zur Sicherheit, weil die Hände beim Fahren frei bleiben. Und Opel will auf diesem Feld führend sein – bereits mit der nächsten Generation unserer Autos. Wir fokussieren uns auf die Vereinfachung der Bedienung. Schon die neue Mittelkonsole des Insignia ist ein Schritt in diese Richtung. Das Infotainment-System des ADAM ist aktuell schon sehr gut; auch unsere Highspeed-Mobilfunkverbindung OnStar zeigt, in welche Richtung es geht. Konnektivität ist ein sehr wichtiges Feld für uns. Ganz allgemein wird das Interieur an Bedeutung gewinnen. Okay, das Außendesign ist das, was die anderen wahrnehmen. Aber man selbst verbringt doch 99 Prozent der Zeit im Inneren des Autos.
Bietet Opel durch sein Design einen Mehrwert gegenüber seinen Wettbewerbern?
Ja, unsere Designphilosophie spielt auch bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle. Da sind immer Kopf und Herz beteiligt. Wir versuchen, beides zu kombinieren. Die skulpturale Formgebung spricht das Herz an, ist die emotionale Seite. Auf der anderen Seite haben wir die deutsche Ingenieurskunst, in der Werte wie Technologie, Präzision, Struktur und Qualität stecken. Wer unsere Autos anschaut, spürt auf Anhieb die emotionale Komponente: ,Wow, tolles Design!’ Die starke technologische Substanz erschließt sich dann auf den zweiten Blick. Hier liegt unser Alleinstellungsmerkmal. Wir wollen die emotionale deutsche Marke sein!
Mark Adams wurde 1961 in London (England) geboren. Er studierte Ingenieurswesen und Design, machte seinen Bachelor-Abschluss in Maschinenbau/Fahrzeugtechnik und seinen Master in Autodesign am Royal College of Art in London. Nach dem Studium nahm er verschiedene leitende Positionen im Design bei Ford wahr, bevor er 2002 als Leiter Exterior Design für GM Europa zu General Motors wechselte. Fortan prägte Mark Adams unter anderem das Design von Antara, Astra TwinTop, Corsa, Zafira Tourer und Astra GTC. Seit 2007 verantwortet der Vice President GME Design das Erscheinungsbild der Opel- und Vauxhall-Fahrzeuge.